Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege entdecken ein neues frühkeltisches Wagengrab in Unlingen im Landkreis Biberach nahe der Heuneburg
Im Zuge des Neubaus der Umfahrung der Bundesstraße B 311 bei Unlingen (Landkreis Biberach) und der nachfolgenden Rettungsgrabung des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD) kamen im Sommer 2016 unerwartet mehrere gut erhaltene und außergewöhnlich ausgestattete keltische Gräber aus der Hallstattzeit (8./5. Jh. v. Chr.) zum Vorschein. Eines davon enthielt die Überreste eines frühkeltischen Wagens und zudem eine Aufsehen erregende figürliche Bronzeplastik von überregionaler Bedeutung. Das kleine Grabhügelfeld lag am Fuße des Berges Bussen unweit des frühkeltischen Machtzentrums Heuneburg. Die Beigaben aus den Gräbern, die unter der fachlichen Anleitung und Mitarbeit der beiden Restauratorinnen Dipl.-Rest. Nicole Ebinger-Rist und Dipl.-Rest. Tanja Kreß vom LAD teilweise im Block geborgen wurden, werden zurzeit in den Restaurierungswerkstätten des Landesamts freigelegt und dokumentiert.
In der heutigen Pressekonferenz wurde dieser außergewöhnliche Fund zusammen mit ausgewählten Fundobjekten erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
„Wir haben tatsächlich mindestens drei bisher unbekannte frühkeltische Grabhügel entdeckt, von denen zwei Gräber besondere Beigaben enthielten“ sagte Landesarchäologe Prof. Dr. Dirk Krausse vom LAD „Sie stammen aus der mittleren und späten Hallstattzeit, also einem Zeitraum von etwa dem 8. bis Mitte des 5. Jh. v. Chr.“ fügte er hinzu und ergänzte: „Bislang sind aus diesem Bereich, am Fuße des Berges Bussen, in rund 11 km Entfernung der bedeutenden frühkeltischen Siedlung Heuneburg noch keine vergleichbaren Gräber bekannt geworden.“
Zwar waren zwei der drei Grabhügel, die noch Durchmesser zwischen 16 und 31 m besaßen, wahrscheinlich schon in der Antike beraubt worden, dennoch ließen sich bei allen drei noch Reste der in ihnen angelegten Gräber im Boden nachweisen. Dabei handelte es sich um bis zu 6 m × 5,6 m messende hölzerne Grabkammern.
Herausragend ist das Inventar aus Hügel 3, der zu etwa zwei Dritteln ausgegraben wurde. Er enthielt eine zentrale Grabkammer sowie eine Nachbestattung. Die große Grabkammer war beraubt worden und enthielt keine Überreste des oder der Bestatteten mehr, wies aber an der Nordseite eine Konzentration von Beigaben auf, darunter ein kleines bronzenes Reiterfigürchen. Die nicht ganz vollständige aber recht gut erhaltene Statuette zeigt einen Reiter oder eine Reiterin in stehender Haltung auf einem Doppelpferd. Die Bruchkanten an den unvollständigen Beinen lassen erkennen, dass die Statuette ursprünglich wohl an einem anderen Objekt angebracht war. Infrage kommen Fußkonstruktionen von größeren Bronzegefäßen oder die Oberseite von bronzenen Deckeln, ferner Möbel, Wagen oder Joche.
„Das kleine Reiterfigürchen ist der bedeutendste Fund, den wir bisher hier gemacht haben.“ sagte Dr. Marcus Meyer, Archäologe am LAD und Leiter der Grabung in Unlingen. „Aufgrund der Mitfunde lässt sich das Figürchen in die Stufe Hallstatt C datieren, also etwa in den Zeitraum 8./7. Jahrhundert v. Chr. Aus dieser Zeit sind plastische Darstellungen aus frühkeltischen Fundzusammenhängen in Baden-Württemberg eine sehr große Seltenheit.“ ergänzte Dr. Meyer.
Die Herkunft der Kleinplastik ist bislang noch nicht eindeutig gesichert, da im Augenblick noch nach Parallelen gesucht wird. Aufgrund der Gestaltung dürfte es sich um eine einheimische Arbeit handeln, beeinflusst von Vorbildern aus dem Raum südlich der Alpen. Damit besitzt das Stück in jedem Fall eine überregionale Bedeutung.
Nicht nur die Grabausstattung der Unlinger Grabhügel macht sie besonders, sondern auch die räumliche und zeitliche Nähe zur frühkeltischen Heuneburg. Hier beginnt die Siedlung etwa um 620 v. Chr. Die Gräber in Unlingen stammen sowohl aus der Zeit vor der Errichtung der Heuneburg als auch aus der Zeit ihres Bestehens. Welche Beziehungen zwischen deren Bewohnern und den Bestatteten aus den Unlinger Gräbern bestanden haben, lässt sich derzeit noch nicht beantworten. Allein aufgrund der räumlichen Nähe sind Kontakte zur dortigen Bevölkerung aber anzunehmen.
Dies und der Frage, ob auf dem Berg Bussen eine zeitgleiche, möglicherweise den Grabhügeln zugehörige Siedlung bestand, soll im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Langzeitprojekt des LAD „Besiedlungs- und Kulturlandschaftsentwicklung im Umfeld der Heuneburg während der Hallstatt- und Frühlatènezeit“ in den nächsten Jahren durch archäologische Forschungen noch weiter nachgegangen werden.
Quelle: Pressekonferenz im Landesamt für Denkmalpflege am Dienstsitz Tübingen vom 12.12.2016
Hintergrundinformationen - Auffindungsgeschichte
bronzene Wagenbeschläge (= die Überreste eines Wagens)
ein mit zahlreichen feinen Bronzenägeln verziertes Joch
einem kleinen bronzenen Reiterfigürchen. Die nicht ganz vollständige aber recht gut erhaltene Statuette zeigt einen Reiter oder eine Reiterin in stehender Haltung auf einem Doppelpferd. Die Bruchkanten an den unvollständigen Beinen lassen erkennen, dass die Statuette ursprünglich wohl an einem anderen Objekt angebracht war. Infrage kommen Fußkonstruktionen von größeren Bronzegefäßen oder die Oberseite von bronzenen Deckeln, ferner Möbel, Wagen oder Joche.
sowie weitere Fragmente aus Eisen und mindestens vier zerbrochenen Keramikgefäße
Quelle: Landesamt für Denkmalpflege am Dienstsitz Tübingen